Erst-Aktivierung Finsteraarhorn HB/VS-010
Es war Montag, der 3. August 2020, als wir abends auf dem Grimselpass ankamen, wo wir im Hotel gleich neben dem Stausee übernachteten. Es sollte der Ausgangspunkt unseres gewagten Vorhabens werden. Am nächsten Morgen wurden wir von rund fünf bis zehn Zentimeter Neuschnee überrascht, begleitet von starkem Nebel und Wind. Trotz dem garstigen Wetter starteten wir unser Abenteuer und nach rund zwei Stunden erreichten wir den Oberaargletscher. Durch den neuen Schnee sahen wir die Gletscherspalten nicht mehr richtig und waren dementsprechend gewarnt.
Aus Sicherheitsgründen verbanden wir uns mit einem Seil und liefen mit gut zehn Metern Abstand. Lange dauerte es nicht, bis Matthias (HB9FVF) als Erster der Gruppe einbrach. Doch Christian (HB9GIN) als zweiter und Manuel (HB9DQM) als dritter Mann der Seilschaft konnten den Eingebrochenen halten und wieder aus dem Eis ziehen. Es folgten noch einige weitere Einbrüche, die uns allerdings immer weniger überraschten. Je länger, je mehr wurde das Verfahren zur Routine.
Die zweite Nacht verbrachten wir in der Oberaarjochhütte. Am Mittwoch ging es um 05:50 Uhr zuerst auf das Oberaarhorn (HB/VS-075) auf rund 3630 Metern Höhe und danach weiter zur Finsteraarhornhütte. Einen Tag später, am Donnerstag, starteten wir um 5 Uhr morgens in Richtung Finsteraarhorn (HB/VS-010). Mit 4274 Metern Höhe ist es der höchste Berner Gipfel und gleichzeitig unser grosses Ziel: die Sota-Erstaktivierung HB/VS-010. Nach rund zweieinhalb Stunden Aufstieg überraschte uns plötzlich eine Steinlawine, die von Bergsteigern vor uns ausgelöst wurde. Wir hatten das grosse Glück, dass wir rund 100 Meter höher waren und die Steinlawine an uns vorbei donnerte. Eine Seilschaft hinter uns, bestehend aus drei Personen, hatte weniger Glück. Rund 30 Minuten später musste ein Rettungshelikopter eine Person evakuieren – wir erfuhren nie, was genau passiert war. Mittlerweile waren wir nun auf dem Hugisattel auf 4088 Metern und die Höhe machte sich bemerkbar. Das Atmen fiel uns schwerer und die dünne Luft verursachte Kopfschmerzen, aber uns standen weitere zwei Stunden Kletterei bevor. Höchste Konzentration war gefragt. Wir drei kannten und vertrauten uns gegenseitig, schliesslich aktivierten wir bereits zusammen die Dufourspitze (HB/VS-001, 4634 m – ebenfalls eine Erstaktivierung. Die grösste Herausforderung war es jetzt, anderen Bergsteigern auszuweichen oder sie zu überholen und dabei konzentriert zu bleiben. Schliesslich erreichten wir den Gipfel des Finsteraarhorns (HB/VS-010) in 4274 Metern Höhe.
Auf dem Gipfel wurde zuerst was gegessen und getrunken, bevor wir den Berg aktivierten und viele tolle QSO im Log hatten. Jedoch ist der Berg erst sicher bestiegen, wenn man auch gesund unten angekommen ist. Auch der Abstieg verlangte uns einiges ab. Glücklicherweise gab es aber keine Zwischenfälle mehr und zurück in der Hütte angekommen genehmigten wir uns das verdiente Nachtessen mit einem grossen Bier. Die Freude über die gelungene Erstaktivierung war gross. Trotzdem wussten wir, dass uns am nächsten Tag über 16 weitere Kilometer über den Gletscher zurück zum Grimsel-Stausee bevorstanden. Und so nahmen wir am Freitagmorgen um sechs Uhr in der Früh die letzte lange Strecke bei gutem Wetter mit Sonne und blauem Himmel in Angriff. Rund sechs strapazierende Stunden später erreichten wir um 12 Uhr mittags wieder den Staudamm. Wir verstauten unser Material im Auto und machten einen letzten Zwischenstopp im nahe gelegenen Restaurant, bevor wir uns anschliessend müde und zufrieden auf den Nachhauseweg machten.